Geschichten hinter den Bildern
Edward Hoppers Gemälde als Anlass und Ausgangspunkt für Kurzfilme
Erklärt ein Gemälde Hoppers die Welt - und ist in diesem Sinne "wahrer" als die anekdotischen tagesaktuellen Bilder?
Oder ist es vielmehr so, dass erst ein Film, der die "dahinter liegende" Geschichte zeigt, das Bild erklärt und verstehbar macht, und verstehbar auf welchem Niveau?
Wir kommen mehrfach auf diese Fragen zurück, festzustellen ist zunächst, dass es eine auffällige Häufung von Filmen gibt, die Hoppers Bilder quasi als Stills oder Storyboards betrachten und eine davor, danach oder dahinterliegende Geschichte zu erzählen versuchen. Von Hoppers Bildern scheint mehr als bei anderen Malern geradezu eine Provokation auszugehen, sie weiterzuerzählen. Ein Anreiz, dem schwer zu entgehen ist.
Das zeigt sich schon in der Literatur, in der Kunsthistoriker immer wieder zu Erzählern werden, wenn sie Hoppers Bilder analysieren. So, nur als Beispiel von vielen, etwa Eva Schmidt über Nighthawks: "Die beiden Männer tragen Hüte, der Barkeeper hat eine weiße Schiffchenmütze auf dem Kopf. Die Gäste trinken Kaffee - soweit das Sichtbare - und jetzt: Sie haben nicht den ganzen Abend in der Bar verbracht. Der Mann und die Frau waren vorher vielleicht auf einer Veranstaltung, dann in einem Speiselokal. Der andere Mann im Kino, in einem Nachtclub. Vielleicht ist er aber auch nur stundenlang in einem Zimmer gesessen. Der Barkeeper hat seinen Dienst früh am Abend begonnen. Bald wir er ihn beenden. Die Gäste werden aufbrechen." usw.
Nur logisch, dass ein Dokumentarfilmer wie Wolfgang Hastert in seiner "Straße der Nachtvögel" ebenfalls und erst recht diese Methode benutzt, um - ja wozu eigentlich? Schauen wir noch einmal in eine Sequenz aus seinem gestern gezeigten Film.
oder dieser link? er ist kürzer
Indem die hier gezeigten Filme Hoppers Bilder - wie immer gesagt wird - als Stills auffassen und sich von einer ganzen Reihe der Hopperschen Bildelemente provozieren lassen und sie zu überwinden versuchen, führen sie gerade die stilistischen Merkmale des Malers ad absurdum, die ihn am meisten auszeichnen:
- die bewegungslose, wartende Ruhe der dargestellten Menschen- die Anonymität und Starrheit ihrer Gesichter- das sich nicht Begegnen der Menschen- das Blicken ins Nichts oder in die Unendlichkeit- die kontemplative Betrachtung der Welt- und damit das Übergeschichtliche, Allgemeingültige, Existentielle seiner Inhalte.
Edward Hopper hat lange an jedem seiner Bilder gearbeitet, teilweise entstanden nicht mehr als zwei Gemälde pro Jahr. Mit vielen Vorstudien hat er die Kompositionen ausprobiert, und es scheint, dass es ihm dabei vor allem darum ging, das Anekdotische, die Bindung an Geschichten und damit auch das Angebot vorschnellen Erklärens aus den Bildern hinauszuarbeiten. Er hat z.B. nachweislich ursprünglich geplante Figuren aus Bildern entfernt.
Indem die Filme nun etwas nacherzählen, verraten sie eigentlich die Intention des Malers, und sie ziehen sein Werk auf ein Niveau des Narrativen, das ihnen selbst vielleicht nicht bekommt. Denn - und das zu untersuchen wäre jetzt der nächste Schritt, den ich allerdings heute nicht mehr gehen werde - ihre ästhetische Qualität liegt zu einem guten Teil auch jenseits von Hopper. Ebenso wenig wie man die Bilder Hoppers mit den Filmen erklären kann, lassen sich die Filme ausschließlich auf seine Bilder zurückführen.