11. August 2006

In einem Lande, wo die Sommernächte...


Die Elfenkönigsweise

Wie alle Märchen fängt es fogendermassen an:
In einem Lande, wo die Sommernächte nicht recht dunkel werden, lebte vor Zeiten ein Musikant...........


Dieser Musikant war bei alt und jung sehr bekannt und beliebt , man traf ihn auf allen
Hochzeiten und Festen. Eines Abends, nachdem er zum Tanz aufgespielt hatte und jeder nach Hause ging, trat ein alter Mann zu ihm, dankte ihm für sein Spiel, sprach aber leise und wie wie für sich selber die folgenden Worte:
„Ich weiss von einer noch schöneren Musik als die die Du heute Abend gespielt hast“
Der Musikant hatte es vernommen und fragte:
“ Von was für einem Spiel sprecht ihr, Grossvater?“

“Hast Du nie reden hören von der Elfenkönigsweise? Zur Johannizeit, wenn die Lichtelfen in Wiesen und Feldern unterwegs sind, kann es geschehen, dass man der Schar begegnet, die mit dem Elfenkönig umherzieht. Verweilt man dann still, grüsst die Unsichtbaren und gibt ihnen den Weg frei,so ereignet es sich zuweilen, dass man ihre Musik hört. Die aber ist über alle Massen schön, man wünscht, sie möchte nie wieder verklingen. Es ist gut, dass heute niemand mehr davon weiss, denn ungefährdet spielt der Mensch die Elfenmusik nicht“.

Der Jüngling konnte in diese Nacht keinen Schlaf finden. Die Elfenkönigsweise gin ihm nicht aus dem Sinn.
„Ich will die Elfenweise spielen lernen“

In der folgenden Zeit achtete er auf Zeichen , ob das stille Volk in der Nähe sei; es zeigte sich aber nichts. So gingen Wochen dahin. Die Johannizeit kam heran. Die Sonne stand hoch am Himmel, das Korn auf den Feldern began zu reifen. Da wanderte der Musikant eines Tages zur Mittagstunde übers Land, seine Geige an einem Band auf dem Rücken. Er schaute wie im Traum auf den Feldweg, zu dessen beiden Seiten ein leiser Windhauch die Kornähren bewegte. Plötzlich sah der Jüngling in einiger Entfernung von sich den Staub aufwirbeln. Hoch und steil drehte sich eine feine Wolke in der Luft empor.
„Du hast uns gesucht.....sag Deinen Wunsch"
sprach eine feine Stimme. „
Nichts wünsche ich sehnlicher, als die Elfenmusik zu hören und die Elfenkönigsweise“. „Das sei Dir gewährt,
klang es als Antwort zurück.
Gleich darauf begann ein Tönen , das war süsser als alles, was Menschenohren auf Erden je hören können. Eine Melodie reihte sich an die andere, eine Weise löste die andere ab. Am Ende ertönte das Elfenkönigsstück, es übertraf alles was bisher erklungen war. Dann verstummte das Spiel.


“Zieht noch nicht weiter! Ich will alles tun, was ihr verlangt, wenn ihr mir nur gewährt, dass meine Geige ein einziges Mal das Elfenkönigsstück singen darf. Lehrt es mich spielen!“
-„Du weisst nicht, was Du wünschst“,
hörte der Musikant da sagen.
- „Ein Mensch, der diese Weise spielt, kann nie mehr aufhören damit, es sei denn, es gelänge ihm, das Stück Ton für Ton rückwärts zu spielen, bis zu seinem Anfang hin. Doch das ist schwer. Und wenn auch nur ein Ton fehlt,kommt der Mensch nicht frei.“

-„Koste es was es wolle, einmal muss ich das Elfenkönigsstück spielen, sonst werd ich mein Leben nicht mehr froh.“
-„So halt uns Deine Geige hin“, sagte der Elf.

Der Musikant hielt seine Geige dahin, wo er die Stimme vernahm. Er verspürte einen leisen Schlag, der Geigenleib erzitterte kaum merklich und er hörte noch die Worte: “Vergiss es nicht,
bis zum Anfang zurück,
Ton für Ton!“-
Ein leises Lachen erklang, dann war der Staubwirbel spurlos verschwunden.

„Vielleicht habe ich alles nur geträumt, ich werde zu dem Alten gehen und dort erproben, ob die Kraft, das Zuberstück zu spielen, wirklich in meiner Geige steckt, oder ob alles nur ein Mittagsspuk war“.
Nahe beim Haus des Alten angekommen, holte der Musikant seine Geige hervor. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Endlich erklang der erste Ton, und er wusste sofort, das es das Elfenkönigsstück war. Er vergass die Welt um sich herum und spielte ... spielte. War der letzte Ton verklungen, so stellte sich wie von selbst der Anfangston wieder ein. Es schien, als müsste ohne Aufhören spielen.
Der Alte war mit seiner Enkelin aus dem Haus getreten. Er hörte die Melodie und wusste sogleich, welche Musik da erklang.
Stunden vergingen, die Sterne waren am Himmel ein gutes Stück vorangegangen, andere untergegangen, und immer noch tönte die Weise durch die Nacht. Mitternacht war längst vorüber, da hörte der Alte wie der Geiger begann, das Stück rückwärts zu spielen. Deutlich war zu erkennen, wie er sich Ton für Ton zurücktastete. Schon meinten die Zuhhörer, der Anfang sei beihnahe erreicht, da schrillten die Saiten, eine kurze Pause trat ein, und danach erklang das Elfenkönigsstück von neuem. Der Geiger musste spielen, ob er wollte oder nicht.
Nach langer Zeit,- die den Horchenden wie eine Ewigkeit vorkam, - versuchte der Geiger erneut, die Weise rückwärts zu spielen. Es ging alles so wie beim ersten Versuch; - kurz vor dem Ziel verliess den Geiger die Kraft - die Saiten schrillten auf als jammerten sie, eine kurze Pause trat ein - und dann ging es weiter mit der Zauberweise, wieder und wieder.

„Verspielt der Musiker beim dritten Versuch, so gibt es nur ein Mittel, ihn zu befreien: - Wir müssen die Saiten der Geige durchschneiden. Besser, viel besser wäre es, der Geiger könnte aus eigener Kraft sich lösen aus dem Zauberspiel.“ So sprach der Alte.

Unterdessen war das Elfenstück ohne Unterbrechung erklungen, immer von Neuem,vom Beginn bis zum Ende hin, vom Beginn zum Ende. Plötzlich schien es als straffe sich die Gestalt des Spielers,: - dann begann wiederum das Rückwärtsspiel. Langsamer als die beiden ersten Male, bedächtiger, mit angestrengter Aufmerksamkeit, Schritt für Schritt tastete er sich Ton für Ton in der Melodiezurück.
Der Alte und das Mädchen wagten kaum zu atmen; -der Geiger näherte sich der Stelle, an der er die beiden ersten Male kraftlos abgebrochen hatte. Auch jetzt strich er die Saiten immer zögernder, immer mühsamer auf und nieder. Ton reihte sich an Ton, rückwärts erklang die Melodie, Schritt für Schritt rückwärts...nun fehlte nur noch ein kurzes Stück bis zum Anfang der Weise; und - da - endlich spielte der Musikant den letzen Ton, der der Anfangston des Elfenkönigsstückes war. - Ermattet liess er die Arme sinken, in der rechten Hand den Bogen, in der linken immer noch die Geige haltend.


„Er ist frei, der Elfenzauber ist gebrochen“, sagte der Alte, „komm; wir gehn zu ihm!“ Erstaunt sah der Spielmann die beiden an.

„Ihr seid hier?“ fragte er. „Mir ist, als sei ich weit fort gewesen.
„Das warst Du auch“, erwiederte der Alte“
-Die Elfenwelt ist eine andere als die der Menschen.

Wie der Sommer sich dem Ende zuneigte und Michaeli herannahte, hat der Alte dem Musikanten erzählt, dass er bereit gewesen sei, ihm die Geigensaiten durchzuschneiden, dass er jedoch nie wieder hätte spielen können.
„So wär ich mein Lebtag betrübt gewesen, denn ohne meine Geige und meine Musik mag ich nicht sein“. Nachdenklich fügte er hinzu:

„Die Elfenkönigsweise beghre ich nie wieder zu spielen“.

„Und doch hast Du, seit Du sie kennst“, noch besser zu geigen gelernt“, sagte der Alte.
"Die Kraft, mit der Du Dich von ihr befreit hast, steckt nun in Deinem Spiel“.





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